Frischlingsjagd – wann ist sie notwendig?
In manchen Jahren liegt noch Schnee und die Nächte sind bitterkalt, trotzdem werden im März schon viele Frischlinge geboren. Anders als frisch gesetzte Rehkitze oder Rotwildkälber, haben die Frischlinge eine gute Überlebenschance. Sie trotzen Kälte und Schnee – die Frage ist wie? Und wann kann dies zum Problem werden?
Wie Frischlinge überleben
Frischlinge werden in einem von der Bache errichteten und mit gut isolierenden weichen Materialien (Heu, Stroh) ausgepolsterten Kessel gefrischt. Dies erhöht die Überlebenschancen ungemein, denn ohne diesen Kessel würden die Frischlinge schutzlos im Schnee erfrieren. Den Kessel verlassen die Frischlinge in der ersten Lebenswoche selten, manchmal auch gar nicht. Trotz des Kessels und der zusätzlichen Körperwärme der Bache, die dicht an den Frischlingen liegt und so für noch mehr Schutz sorgt, können auch anhaltende tiefe Temperaturen und Regen Opfer unter den Jungtieren fordern. Erst ab der zweiten Lebenswoche integriert die Bache die Frischlinge in die Rotte und zum ersten Mal verbringen sie Zeit außerhalb des Kessels. Sauen sind infolge hohen Jagddrucks in vielen Revieren nur noch dämmerungs- und nachtaktiv, dies verändert auch den Rhythmus der Frischlinge. Sauen sind generell bestrebt bei der Wahl ihrer Lagerplätze oder beim Bau des Kessels Kleinklimate auszunutzen. Tagsüber ruhen sie so lieber an einem sonnigen südwestexponierten, offenen Einstand, als in einer schattigen Dickung. Auch hier verhindert allerdings der hohe Jagddruck auf das Schwarzwild die Wahl des günstigsten Einstandes.
Bachen, fürsorgliche Muttertiere
Frischlinge werden von der Bache mehr umsorgt als Rehkitze oder Rotkälber. Sie beziehen nicht nur mit den Muttertieren den schützenden Kessel sondern werden auch alle 40 bis 60 Minuten gesäugt. Wenn die Bache mit ihren Frischlingen in die Rottengemeinschaft zurückkehrt, dürfen die Frischlinge anfangs auch von anderen Bachen gesäugt werden. Bachen die in diesen Zeitraum ihre Frischlinge verlieren werden meist im Sommer neuerlich rauschig und die Rottenstruktur gerät komplett durcheinander. So kann es passieren das diese spät geborenen Frischlinge schon im Januar selbst rauschig und beschlagen werden.
Was bedeutet das für uns Jäger?
Es bedeutet das wir mit einer Situation konfrontiert werden, die man als Jäger lieber meiden würde. Gestreifte Frischlinge zu erlegen bereitet sicherlich den wenigsten Freude, ist aber absolut notwendig. Das betrifft natürlich nicht die, die zur rechten Zeit gefrischt wurden und wo die Rottenstruktur stabil ist. Es sind die Tiere, die zu Unzeiten gefrischt wurden, welche intensiv bejagt werden müssen, auch wenn es uns nicht leicht fällt. Früher hat man “braune” Sauen bedenkenlos als Frischlinge und die “schwarzen” als mehr- jährige Stücke deklariert, aber so einfach ist das bei den heutigen Rottenstrukturen nicht mehr und ist wahrscheinlich auch früher schon riskant gewesen. Die Farbe der Schwarte ist von der Geschlechtsreife und vom Gewicht des Stückes absolut unabhängig. Sauen wechseln nur einmal im Jahr die Borsten und so werden erst im Frühjahr die braunen Frischlingsborsten durch die grauen Sommerborsten erneuert. Diese wiederum werden im Herbst durch die typischen schwarzen Winterborsten ersetzt. Der Zeitpunkt der ersten Rausche wird im Wesentlichen durch das Körpergewicht der Sau bestimmt und so kommt es immer häufiger vor, das Frischlinge bereits Frischlinge führen! Damit dieser Zyklus nicht noch weiter vorran schreitet, müssen wir Jäger in die Frischlingsklassen noch verstärkter eingreifen, auch wenn wir dafür manchmal über unseren eigenen Schatten springen müssen. Das ist aber nicht ganz unproblematisch, gerade bei der Nachjagd und schwierigen Lichtverhältnissen wird das Ansprechen häufig zu einem Ratespiel, da die Stücke kaum zu erkennen sind. Irrtümlicherweise wurde daraufhin schon anstatt eines als angesprochenen Überläufers eine Bache erlegt. Auch aufgrund dieses Problems ist die Jagd gerade in der “riskanten” Zeit (Frühjahr-Sommer) auf Schwarzwild morgens am günstigsten. Früh wechselt das Wild vertrauter an und durch die guten Lichtverhältnisse fällt das korrekte Ansprechen deutlich leichter, was das Risiko eines Fehlabschusses erheblich senkt. Auch ist die Atmosphäre eines Morgenansitzes einmalig speziell und tröstet auch über ein nicht erfolgreichen Jagdtag gut hinweg.
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