Jagd1-Leser berichtet: „Mein Einstangen-Bock“
Ernting – eine alte Bezeichnung für den Monat August, Ernting – ganz einfach die Zeit, in der die Ernte eingefahren wird. Auch für den Jäger ist es Zeit zu ernten. Mit dem August gehen die Hirsche auf und der Bock springt auf das Buchenblatt. Da bei mir jedoch nur die Weißbetupften Hirsche ihre Fährte ziehen und deren Zeit noch nicht gekommen ist, begab ich mich im Morgengrauen auf den Bockansitz.
Fast eine Stunde lang waren um meinen Sitz zarte Fieplaute zu hören. Jedoch blieb jegliche Bemühung einen Bock in meinen Bann zu ziehen ohne Erfolg. Etwas zerknittert über diesen Misserfolg und die Misserfolge der zurückliegenden Tage trat ich den Heimweg an. Jedoch verlief dieser nich schnurstraks zu meinem Auto, nein, es sollte noch eine kleine Pirsch in den Tag hinein folgen. Ein kleiner Grasweg, der in einem Graben umsäumt von Fichten und Kiefern verlief, diente mir als Pirschpfad.
Die Unmut über den verpatzten Morgenansitz immer noch im Nacken, bemerkte ich ein Stück Rehwild erst zu spät, als es absprang. „Na toll, jetzt gehst du heim“ sagte ich zu mir, jedoch wollte ich die letzten 200 m noch pirschen, nur noch bis der Graben sein Ende findet, dort wo die Suhlen liegen. Kurz bevor meine Pirsch zuende sein sollte vernahm ich jedoch eine Bewegung im rechten Augenwinkel. „Dort ein roter Fleck!!!“. Zu meinem Glück hatte mich das Stück Rehwild diesmal nicht zuerst entdeckt. Als es sich in Bewegung setzte, war mir klar um wen es sich handelt. Schwer und behebig, stark schonend zog der altbekannte Bock in meine Richtung.
Der Bock, der von mir „Einstangenbock“ genannt wurde, war seit Mäz bekannt. Damals sah ich ihn zusammen in einem Sprung auf dem Feld stehen, schon damals sah ich, dass eine Stange zu fehlen schien. Einmal war er auf der Wildkamera und da konnte ich den verbliebenen linken Stangenstumpf sehen. Ein paar Wochen später dann sah ich ihn das erste Mal auf der kleinen Wiese vor dem Wald und mir wurde klar, warum die eine Stange „fehlt“ – er war schwer laufkrank. Scheinbar führte ein Verkehrsunfall dazu, dass er so sehr schonte. In diesem Zusammenhang, schien die Stange auch kurz vor dem Verfegen gebrochen zu sein.
Oft habe ich vergeblich auf ihn angesessen, eine Woche zuvor geblattet, alles blieb ohne Erfolg und nun zieht er auf mich zu, mein „Einstangenbock“. Schlagartig verschnellerte sich mein Herzschlag, ich stand mitten auf den Weg und lange wird es nicht dauern, bis der Bock über den Weg zieht. Der Schritt zur Seite an einen Baum zum Anstreichen schien mir zu riskant, zu hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er etwas mitbekommt. Als er hinter einer Fichtengruppe verschwand, sank ich zu Boden, die Waffe auf dem Rucksack ausgerichtet, in der Hoffnung dass er weiter aus dem Holz auf den Weg zieht. „Ist er noch da? Hat er mich mitbekommen?“ Eine Minute tat sich gar nichts bis dann endlich eine vertarut „humpelnde“ Bewegung in meine Richtung ging. Die Waffe war entsichert und „Klick“ auch eingestochen – nur selbst das leiseste Klicken hatte er sofort vernommen. Er sicherte zu mir, bewegte sein graues Haupt hin und her und wollte eine Bewegung erhaschen, ich lag da wie ein Stein. Als sich nichts bewegte setze er seinen Weg fort, nur leider nicht auf den Wegrand in 40 m, sondern immer weiter auf mich zu. Sehr nahe war schon, als er wieder hinter Bäumen eine Zeit lang verschwand. Ich merkte, wie es in meinem Hals pochte und dann… dann trat er aus – 8 m genau vor mir schob sich das Haupt aus dem Dickicht. So nahe und ich wurde nervös, wusste nicht, wo der Schuss auf so kurze Distanz hingehen würde. Wieder sicherte er zu den am Boden liegenden Klumpen, wägte ab, ob er noch einen Schritt wagen sollte. Er wagte es sich – in diesem Moment wurde er sich seines Fehlers bewusst, vielleicht habe ich mich irgendwie bewegt urplözlich starrte er mich an, als würde er mir sagen wollen „Du oder ich- du hast es in der Hand!“ Diesen Moment werde ich glaube ich nie vergessen.
„So oft habe ich es probiert, so oft bist du mir entwischt, jetzt ist der Moment gekommen“. Der peitschende Schuss riss das erstarrte Haupt rum, ein hoher Satz und die tiefe Flucht ging in die Fichten zurück. In den ersten Sonnenstrahlen des Morgens sah ich das Schnitthaar fliegen und ich war mir sehr sicher, gut abgekommen zu sein. Das nahe Poltern auf der Fichtenstreu ließ den schlegelnden Bock vermuten. Als ich am Bock stand, konnte ich mein Glück an diesen Morgen kaum fassen. Älter als vermutet scheint der Bock zu sein, als 2 Jahre alt habe ich ihn angesprochen, doch die dicken, flachen Rosenstöcke, ein graues Haupt und starker Träger lassen ein höheres Alter vermuten.
Heute ist Ernting – Zeit der Hirschjagd und wie es sich gehört, krönte ich meinen „kleinen Hirsch“ mit roten Hirschholunder. Selten trat ich so zufrieden den Heimweg an.
Text und Bild: Benjamin Schroll
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