Pleiten, Pech und Pannen auf der Jagd

Nein, mir kann das nicht passieren. So habe ich auch reagiert, als ich so manche Jagdgeschichte hörte. Heute sehe ich das anders! Fehl- und Krankschüsse habe ich ebenso erlebt und produziert wie Schüsse „auf Verdacht“. Moralisten und Jagdapostel sollten diesen Beitrag überschlagen. Die anderen, die sich nicht für jagdlich unfehlbar halten, mögen sich nach dem Studium dieses Artikels – vielleicht schmunzelnd, vielleicht nachdenklich – fragen, ob Sie sich an irgendeiner Stelle wieder gefunden haben.

Anekdoten über jagdliche Erfolge gibt es viele. Dort wird ausführlichst erzählt, wer wie und wann welches Stück Wild erlegt hat. Die anstrengende Pirsch wird immer länger, die Schussentfernungen werden immer größer. Dass der Bock, wie immer um 21.15 Uhr erschienen, aus der fünf Meter hohen Kanzel heraus auf 35 Meter am Salzleckstein erlegt worden ist, taugt eben nicht als Erlegungsstory. Es gilt nur der viel, der dicke Trophäen hat und viele Stücke schießt. Fehlschüsse? Fehlanzeige! Krankschüsse? Nie gehabt!

Das Restrisiko ist ein ständiger Begleiter auf der Jagd

Geschichten über Pleiten, Pech und Pannen auf der Jagd gibt es wenige. Wie es zu dem Krankschuss kam, wird – wenn überhaupt – nur dem Nachsuchenführer erklärt, absolute Diskretion erbeten! Kaum ein Jäger bleibt vor Schicksalsschlägen und Unglück verschont. Nur redet offiziell kaum jemand über das latente Restrisiko, das uns immer begleitet. Es kann immer etwas passieren, auch demjenigen, der behauptet, nie im Leben würde ihm etwas derartiges widerfahren…

Damhirsch

Drückjagd, drei Schaufler wechseln langsam durch den lückigen Bestand. Schon weit kann ich die Geweihten hintereinander ziehen sehen. Rechts neben mir müssten sie einen breiten Waldweg überfallen. Bis dahin ist Zeit genug, sie anzusprechen. Den führenden Hirsch kennzeichnet die beste Auslage und die dicksten „Bretter“. Ihm folgen zwei geringere Hirsche. Auch sie tragen Schaufeln, wobei sie deutlich ein- bzw. beidseitig eingeschlitzt sind. Beidseitige Einschnitte von über 50 Prozent stellen neuerdings in der mittleren Altersklasse der Damhirsche ein Abschusskriterium dar, welches – bei der guten Veranlagung des hiesigen Damwildes – wohl kaum noch häufig zu entdecken ist. Jetzt zieht ein solcher Abschusshirsch (beidseitig tief eingeschlitzt) in meine Richtung und innerlich jubiliere ich schon!

Mittlerweile sind die Hirsche deutlich dichter heran und ich setze mich auf meinem Ansitzbock schussgerecht hin. Irgendwo weit weg höre ich eine Teckel auf der Spur Laut geben. Die Herren hier stört es nicht, ruhig ziehen sie weiter. Es ist Anfang der Jagdzeit, die Hirsche noch nicht mit Brunftgeruch „verseucht“ und ich freue mich – als leidenschaftlicher Wildkoch – auf den Braten des von mir angesprochenen „beidseitig Eingeschnittenen“. Achtung, gleich sind sie auf dem Weg!

Es liegt der falsche Hirsch

Auf ihrem Kurs Richtung Waldweg müssen die Hirsche nur noch hinter drei kleinen Douglasienhorsten hindurch, die im Altholz eingesprengt liegen. In den beiden Lücken dazwischen spreche ich die Geweihten noch mal an. Meiner, der doppelt eingeschnittene, bildet stets den Schluss, davor der einseitig geschlitzte und vorne der makellose „Bretterhirsch“. Jetzt erreichen sie den letzten Douglasienhorst und ich liege bereits bestens vorbereitet im Anschlag. Als die Damhirsche über den Weg kommen, brauchte ich nur noch abzuzählen. Ich konzentriere mich auf die Wildkörper, zähle mit und beim dritten Schaufler lasse ich fliegen.

Der Hirsch liegt im Graben des Waldweges, ich sehe seine Läufe und Teile der hellen Bauchdecke. Genüsslich zünde ich mir eine Zigarette an, denn solange will ich auf meiner kleinen Leiter noch warten. Doch die berühmte Zigarettenlänge halte ich es heute nicht aus, baume ab und stehe kurze Zeit später beim Hirsch – vor dem falschen! Vor mir liegt der Damhirsch mit dem einseitigen Einschnitt, die andere Schaufel makellos. Das ist der „mittlere“ Hirsch und nicht der von mir gewollte, er ist falsch, basta.

Wie war das nur möglich?

Damwild

„Ja“, werden jetzt die Gelehrten sagen, „man muss den Hirsch doch noch einmal ansprechen!“. Sicher? Aber warum hätten mir den Zweifel kommen sollen? Ich hatte Zeit, die Stücke anzusprechen. Ihre Reihenfolge war deutlich und sie waren überhaupt nur dreimal – und das jeweils nur sehr kurz – meinen Blicken verborgen. Aber: Kurz vor dem Weg, von mir auf diesem Stück nicht einsehbar, ausgerechnet hinter der letzten kleinen Douglasiengruppe, hatte sich wohl der mittlere Hirsch zurückfallen lassen und der bis dato dritte seine Position übernommen. Warum? Keine Ahnung. Als die Damhirsche über den Weg zogen, hatte ich angesprochen, sondern nur noch abgezählt. Ich hatte „auf Verdacht“ geschossen. Doch leider war „meine Nummer 3“ nicht mehr der Hirsch mit den beiden, tiefen Einschnitten.

Nach menschlichem Ermessen war die Zeit, in der die Hirsche hinter der kleinen Nadelholzgruppe verschwunden waren, viel zu kurz, als das die Geweihten ihre Reihenfolge hätten ändern können. Nach meinem Gefühl, sicher angesprochen, nach meiner Erfahrung, bei Abwägung aller Umstände – ich konnte formulieren, wie ich wollte – nichts zählte, es lag der falsche Hirsch. Ironie des Schicksals: Im Jagdjahr davor, vor Änderung der Abschussrichtlinien, wäre mein falscher Hirsch noch richtlinienkonform gewesen…

Viele Jäger sind nicht davor gefeit, einen Schuss abzugeben, der eigentlich im Lauf bleiben sollte. Kennen Sie diese Schüsse auch? Sie schießen, weil Sie das Stück, das Sie vorhatten, unbedingt „haben“ wollten, Ihr Beutetrieb sozusagen mit Ihnen durchging? Manch einer nennt dies „überpassioniert“, manch einer nennt es Leichtsinn, der nächste „Kugeldruck“.

Umgekehrt gibt es Sie auch Jagderlebnisse, an deren Ende man nicht weiß, warum man eigentlich so geschossen hat, wie man geschossen hat? Kennen Sie Begebenheiten, wo Sie schlussendlich das Gefühl hatten, an diesem Jagdtag haben Sie sich selbst blockiert und der Umstand, dass es nicht zu einer Erlegung kam, ist Ihnen selber unverständlich? Wir schalten nicht schnell genug, gehen falsch mit der Waffe um oder korrigieren, zweifeln oder zaudern so lange, bis das anvisierte Stück einfach weg ist. Black out? Hier der Bericht eines befreundeten, jagdlich sehr erfahrenen Jägers, der von beidem zeugt: ein unbegreifliches Black out mit der Waffe und ein erstaunlicher „Kugeldruck“.

Ich durfte in dem Revier meines Onkels meinen ersten Rothirsch schießen. Kahlwild hatte ich erlegt, viele Sauen und viel Rehwild – aber einen Rothirsch noch nicht. Ich war wahnsinnig aufgeregt und freute mich auf eindrucksvolle Stunden während der Brunftzeit. Der Hirsch war mehrfach bestätigt worden und wurde mir genauestens beschrieben. Da konnte nichts schief gehen.

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Aufregung führt selbst bei erfahrenen Jägern zu Fehlern

Rothirsch am Waldrand

An ersten Abend saß ich auf einem klein Ansitzbock, links von mir ein raumer Kiefernbestand, vor mir ein Weg, den das Rotwild gerne auf dem Weg zum Brunftplatz überquerte. Plötzlich, wie von Zauberhand, stand ein Rothirsch keine 70 Schritt am linken Wegesrand. Ich nahm mein Glas, um den Hirsch genau anzusprechen: Ja, es war der beschriebene! Mit ordentlich Herzklopfen machte ich mich fertig, die Auflage war gut, ich war auf dem Stück. Statt des zu erwartenden Schussknalls, hörten der ich (leider) und der Hirsch (leider auch) nur ein gut vernehmliches „Klick“. Der Hirsch empfahl sich mit zwei, drei großen Fluchten. Enttäuscht und wütend kehrte ich vom Ansitz zurück. Wo lag also der Fehler? Natürlich bei mir: In meiner Aufregung hatte ich das Magazin eingeführt aber nicht durchgeladen. Die Waffe schlug ab und ins Leere. So ein Fehler nach so vielen Jagdjahren!

Am nächsten Abend saß ich wieder an (die Waffe durchgeladen!) und wählte denselben Sitz vom Vorabend, in der kühnen Annahme, vielleicht würde sich der „Klick-Hirsch“ noch einmal blicken lassen. Nach einer Stunde hörte ich ein Knacken. Von rechts wechselte Kahlwild durch den Bestand und dahinter – ich konnte es kaum glauben – der „Klick-Hirsch“! Jetzt verhofft der Hirsch exakt hinter den Stamm einer dicken Kiefer. Wenn er jetzt zwei Schritte nach vorne zieht, ist das Blatt frei. Der Hirsch tut mir den Gefallen, zieht an, ich spanne die geladene (!) Waffe, steche ein und ich lasse fliegen – viel zu schnell und überhastet. Nachdem der Schuss raus war, sehe ich das Stück nicht zusammenbrechen, sondern es äugt kurz verdutzt zu meinem Sitz und flüchtet nach hinten. In mir machen sich langsam Zweifel bereit, ob ich meinen Jagdschein abgeben sollte.

Die Kontrolle des Anschusses ergibt nichts, kein Schweiß. Dabei war ich so sicher, dass ich gut abgekommen bin. Zwei „Desaster-Ansitze“ hintereinander erschüttern mein Selbstbewusstsein. Meinen Onkel kostet es viel Überredungskunst, dass ich am folgenden Morgen ein drittes Mal zum Ansitz gehe. Mehr um mich selbst zu strafen, gehe ich zum meinem „Schicksalssitz“. Hier kann man – nach menschlichem Ermessen und dem Erlebten – bei bestem Willen nichts mehr erwarten.

Doch manch’ Mal dreht Diana an der Schicksalsschraube. Kaum habe ich mich eingerichtet, wechselt Kahlwild an und es folgt dem Rudel tatsächlich auch DER Hirsch.

 Rothirsch

Wie von selbst nehme ich die Waffe auf, ziele sorgfältig und schieße ruhig, als der Hirsch breit verhofft. Der Hirsch bricht auf der Stelle zusammen. Als mein Onkel und ich schließlich am Hirsch stehen (Die Kugel sitzt Mitte Blatt), offenbart sich uns, dass das Stück auch einen frischen, rein oberflächlichen Streifschuss auf dem Vorderrücken hat: mein Schuss vom Vorabend! Fazit: Ein Hirsch, erst „klick, dann Streifschuss, dann Erlegung! Wir fotografieren den Hirsch und seine Wunde am Rücken – um Belege zu haben, dass es sich bei dieser Geschichte nicht um Jägerlatein handelt.“

So viel zu den Themen Routine, Jagdfieber und „-dusel“. Während diese Berichte sich auf Begebenheiten bei bestem Tageslicht bezogen, bezieht sich die folgende Schilderung auf eine Verwechslung bei schlechten oder zweifelhaften Lichtverhältnissen. Dass es auch dabei zu Pannen kommen kann, belegen Berichte über teilweise dramatische Verwechslungen. Viele Zuhörer schütteln den Kopf, wenn ein mutiger Jagdfreund am Stammtisch ehrlich berichtet, er hätte beinahe eine liegende Kuh mit einer Sau verwechselt.

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Besonders Nachts kommen die „Augenbetrüger“ ins Spiel

Diejenigen schütteln nicht den Kopf, die derartige Phänomene kennen. Ist es Ihnen beim Nachtansitz noch nie so gegangen, das Baumstümpfe zu Sauen mutierten oder die in eine Waldschneise ragenden Äste im Laufe des Ansitzes zu einem Stück Schalenwild wurden? Kennen Sie das Phänomen, dass Stubben bei längerer Betrachtung auch noch anfangen, sich zu bewegen? „Augenbetrüger“ nennen wir sie hier. Auch ich bin diesbezüglich „labil“, besonders bei der Nachtjagd und wenn Sauen ins Spiel kommen – die muss ich haben.

Schwarzwild

Daher reagiere ich elektrisiert, als ich es im Bestand neben mir knacken höre. Eine Rotte wechselt an. Ich sitze im letzten Büchsenlicht auf einer Leiter an einem Waldwildacker, wo der eingesäte Hafer milchreif ist. Minuten später wechseln Schweine durch den Kiefernwald auf den Wildacker. Einige Frischlinge stehen vorne, ein heller Überläufer gar ganz vorne und seitlich versetzt, Entfernung maximal 45 Meter. Die Mutter der Kompanie, eine riesengroße Bache, bleibt im Hochwald stehen und zieht auch in der Folge nicht in den Wildacker.

Ich picke mir den hellen, braunen Überläufer heraus, drehe die Vergrößerung meines Zielfernrohrs nach oben, mache den Leuchtpunkt an. Vor dem hellen Gras sehe ich scharf konturiert den Überläufers und schieße, als er breit steht. Das Überläuferchen liegt, der Rest der Rotte ist in Aufruhr begriffen. Überall spritzen die Stücke auseinander. Die alte Matrone im Hochwald blässt grimmig und wechselt ab. Einige Stücke können die Chefin sofort orten und folgen der Bache, andere Frischlinge und Überläufer nicht. So werde ich noch auf einen zweiten Frischling fertig, als dieser desorientiert und verwirrt verhofft. Auf den Schuss hin sehe ich, dass der Wutz, sich seitlich überschlagend, in eine mit hohem Beerkraut bestandenen Senke fällt. Doch plötzlich taucht er dahinter wieder auf. Bin ich zu weit hinten abgekommen? Noch einmal schieße ich und der Frischling liegt endlich.

Herrlich, zwei Sauen! Ich baume ab, gehe zu den Anschüssen und zerre dort einen Bergestrick aus dem Rucksack. Bei Stücke sind schnell entdeckt und ich ziehe erst den kleinen Überläufer und dann den Frischling zum nächsten Waldweg. Richtig, letzterer hat den Schuss etwas zu weit hinten. Daheim werden die Stücke ausgeladen, versorgt und kommen in die Kühlung. Dabei stellt die Familie am Fuße meiner Erlegungsgeschichte leicht schadenfroh fest, das ich den Rucksack unter der Leiter vergessen habe. Tatsächlich, ihr Lieben, aber dafür war ich wohl beim Bergen zu begeistert und zu sehr in Gedanken.

Ich bin erst spät am nächsten Vormittag am Erlegungsort zurück. Mein Rucksack liegt artig dort, wo ich ihn vergessen habe. Auf dem Weg dorthin passiere ich die Beerkrautsenke und stehe augenblicklich in einer Fliegenwolke. Fliegen? Ich durchsuche die Senke genauer – und finde einen Frischling. Meine Kugel sitzt hinter dem Blatt, ist diagonal durch und vor der Keule ausgetreten. Der Frischling ist unten fast zerplatzt. Statt zwei Sauen hatte ich drei geschossen ohne es zu merken. Dieser Frischling hier, der tatsächliche zweite, war erstens zu spitz geschossen worden und zweitens noch wenige Meter gegangen. Er endete, von Beerkraut überdeckt, in der tiefen Senke. Jetzt konnte der Wutz nur noch entsorgt werden – schade drum, aber das hatte ich mir bei dem miesen Schuss und fehlender Anschusskontrolle (Sie lagen ja beide!) selbst zuzuschreiben. Warum hatte ich es nicht beim Überläufer bewenden lassen?

Schwarzwild im Wildpark Ebersberger Forst

Die Moral von der Geschichte: Jeder Schuss ist zu überprüfen, auch Anschüsse, die es gar nicht geben kann. Auch sind Stücke nachzusuchen, die niemand meint, geschossen zu haben! Die wenigen Geschichten von so genannten Paketschüssen belegen dies, ebenso die wenigen Schilderungen über vermeintliche Fehlschüsse, die sich später als Treffer erwiesen. Stücke zeichnen eben manches Mal nicht oder gehen wie gesund ab. In einem anderen Fall übersehen wir schlicht durch Geschosssplitter gefährdete Stücke und stehen dankbar vor dem gestreckten Stück, ohne zu wissen, das ein weiteres getroffen wurde.

Wie sehr sich Geschosssplitter verschlagen können, wissen Schweißhundeführer zu berichten. Einerseits, weil sie die versehentlich mitbeschossenen Stücke nachsuchen müssen, so der Schütze denn sein Malheur überhaupt entdeckt. Andererseits, weil sie um die Gefährdung ihrer Hunde bei der Abgabe von Fangschüssen wissen und vielfach nicht ohne Grund härteste oder gar Vollmantelgeschosse nutzen. Wie Jägerlatein mutet es da an, wenn einer der Rüdemänner berichtet, das sein Bayerischer Gebirgsschweißhund aufklagte, als er einem Stück Damwild den Fangschuss gab. Der Hund stand im Winkel von 90 Grad (!) mehrere Meter neben dem Stück und wurde trotzdem von einem Splitter, der rechtwinklig abgelenkt worden ist, getroffen. Der Hund überlebte, dank schneller tierärztlicher Versorgung. Bilder des Hundes, später beim Tierarzt aufgenommen, und die Aussagen des begleitenden Schützen belegen diesen unfassbaren Bericht eindrucksvoll.

Es gibt eben nur wenige Situationen, in denen uns die Splitterwirkung unserer Geschosse „nützt“. Meistens steckt wieder Kugeldruck dahinter oder man rechnet sich wieder etwas passend: Einer der wenigen – zweifelhaften – Nutznießer dieser Wirkung war ein unserer Jagdgäste. Jener familiär und beruflich als stets ausgleichend und besonnen bekannte Herr saß früh morgens bereits im Dunkeln auf einer Leiter an, denn es war sein letzter Ansitzmorgen. Die Rotwildbrunft war am ausklingen, die Damwildbrunft begann gerade. An diesem herrlich sonnendurchfluteten Morgen hatte unser Gast schon Rothirsch und Damhirsche rufen gehört. Es dämmerte und er sah Rotwild hüben und Damwild drüben. Unser Grünrock war überwältig – zu überwältig:

Hirsch zur Brunft

Was genau in ihm vorging, konnte er später auch nicht beschreiben. Statt des freigegebenen IIb-Hirsches lief ihn „ein IIIb-Hirsch fast um“, wie er später erzählte und unser Gast entschloss sich, „auf den IIb zu verzichten und stattdessen den kleineren Hirsch zu strecken: „Kein IIb, dann dieser IIIb, dieser ganze Morgen, diese doppelte Brunft, du weißt schon“. Ich wusste nicht.

Der Mann bemerkte einen Rotsechser der Kurs auf eine Douglasiennaturverjüngung ca. 30 Meter neben seiner Leiter nahm. Dort verhoffte der Hirsch so, dass nur Haupt und Träger gänzlich frei waren. Der Trägerschuss auch auf diese Entfernung wollte er nicht wagen – löblich! Unser Jagdgast reimte sich stattdessen den Rest des Wildkörpers hinter einer kleinen Douglasie zusammen und „errechnete“, wo das Blatt hinter den Douglaszweigen sein müsste – unlöblich!

Er zirkelte den Schuss aufs Blatt durch zwei Äste hindurch – es würde wohl gehen.

Es ging nicht! Der Hirsch lag schließlich nach ca. 150 Metern. Beim Anschuss stellt wir einen durchschossenen Ast fest, beim Aufbrechen zwei „Einschüsse“ im Bereich der Kammer. Wir fanden beim Zerwirken mehrere Geschosssplitter unter der Decke auf der Gegenseite. Ausschüsse gab es nicht.

Ja, auch hier kann man schnell den Stab über diesen Kameraden brechen – oder auch nicht. Trägerschuss nein, aber Dickungsschuss ja? Der ganze Vorgang war ein einziger Aussetzer. Dennoch: Wer jagt, tut dies aus Passion. Wir wollen Beute machen. Ich kenne auch von mir Momente auf der Jagd, bei denen scheine ich mich selber zu betrachten und nicht der Handelnde zu sein. Dann schaue auch ich mir gerne eine Situation passend. Und Sie?

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Rehbock auf Feld

Der kapitale Bock im hohen Getreide, der pralle Winterfuchs im hohen Gras vor dem Luderplatz, das Stück Rotwild leicht verdeckt durch ein kleines Nadelbäumchen – haben Sie noch nie so eine Situation erlebt? Hat bei Ihnen noch nie ein Stück eigentlich viel zu spitz oder zu verdeckt gestanden und Sie haben trotzdem geschossen? Wie steht es denn um den Überläufer, den Sie unlängst auf weite Entfernung schossen, weil Sie dachten, „ach, das wird schon klappen“. Waren Sie bei einem Gang zum gestreckten Stück noch nie überrascht, wie weit Sie (versehentlich?) geschossen haben. Ich kenne diese Gefühl „ich will jetzt den/die/das haben“! Daher fällt mein Kommentar zum oben geschilderten Schuss durch die Douglasie zwar kritisch, aber auch moderat aus: Das Stück wird selbstverständlich erworben, der Schweißhundeführer wird vom Schützen bezahlt, dessen Frau mit einem Blumenstrauß bedacht – und bei Wiederholung ist bei uns die Jagd vorbei!

Aberglaub bei der Jagd

Schlussendlich zum Thema Pleiten, Pech und Pannen etwas amüsantes: Das Jäger manchmal auch den Aberglauben bemühen müssen, um erfolgreich zu sein, kennen wir aus vielen Schilderungen. Ich nehme für mich in Anspruch, nicht abergläubisch zu sein. Dennoch gibt es Dinge, da kann man schon ins Grübeln kommen.

Wie würden Sie reagieren, wenn von einer neu aufgestellten Leiter innerhalb einer Jagdsaison nur drei Mal gejagt wird und drei verschiedene Jagdgäste, durchweg gute Schützen und erfahrene Jäger, ihre Stücke verfehlen? Ein Damschmaltier, eine Sau und ausgerechnet ein schwarzer Rehbock wurden gefehlt. Noch nie hatte ich so etwas gehört, geschweige denn erlebt. Lag da nicht ein Fluch auf der Leiter?

Einer der Schützen (Sie ahnen es: der, der den schwarzen Rehbock schießen wollte!) grämte sich besonders über seinen Fehlschuss. Dieser zudem äußerst abergläubische Nimrod lieferte im April des Folgejahres eine neue Leiter an. Er fuhr die alte Reviereinrichtung ab, zersägte das gute Stück und stellte eine neue Leiter exakt an gleicher Stelle auf. Seit diesem Tag saßen wieder verschiedene Gäste dort. Alle Schützen trafen auf dieser Schneise ihr Wild, Fehlschüsse kamen nicht mehr vor. Können Sie mir das erklären?

Fazit: Vor Fehlern, Trugschlüssen, Irrungen, Augenbetrügern, Kugeldruck (Jagdfieber und -passion) ist niemand gefeit. Es ist keine Schande sie zuzugeben! Wenn, dann aber bitte auch ehrlich: Ein Stück ist beschossen worden, am Anschuss liegt Schweiss, der aber bald endet. Folgerung des Schützen: „Ich habe das Stück nur gestriffen“. Sicher? Streifschüsse wie der oben geschilderte, gibt es auf der Jagd fast nie. Ich habe in zwei Jahrzehnten Jagd nur einen, den beschriebenen, selber erlebt. Verschiedene von mir befragte Schweißhundeführer sagten ebenfalls aus, dass der „Kratzer“ auch in ihrer Praxis eine absolute Rarität ist. Und bei Ihnen?

Meistens hat das Stück die Kugel doch schlimmer oder es ging glatt vorbei. Im ersteren Fall sei versichert: Wer noch nie etwas krank geschossen hat, war noch nie richtig jagen, ohne (um nicht Missverstanden zu werden) diesen Umstand verharmlosen zu wollen. Niemand soll hier zu Schießertum animiert werden! Keiner – und das müssen wir getrost unterstellen – produziert so einen Mist absichtlich. Dafür ist ja der (vermeintliche) Gesichtsverlust zu groß.

Im letzteren Falle sei allen Schützen versichert: Daneben schießen können wir auch alle und der komplette Fehlschuss ist meines Erachtens der „zweitbeste Schuss“, den es gibt: Besser so, als angeflickt! Aber geben Sie auch bei Gesellschaftsjagden diese Schüsse an – eine Kontrolle durch den Hund ergab oft das Gegenteil!!! Nach allen Pleiten – insbesondere nach denen, die ja eigentlich gar nicht stattgefunden haben können – muss ein Hund her. Anders formuliert: Jeder Schuss gehört kontrolliert, denn, siehe oben, es ist erstens keine Schande, wenn so etwas passiert – und zweitens glaubt man kaum, was alles passieren kann. Der Hund hat dann in mindestens 99 Prozent der Fälle recht! Wie oft wurde man zum Anschuss gerufen, fand nichts („wahrscheinlich habe ich daneben geschossen“) und der später herbeigeorderte Schweisshund zog schnurstracks zur erlegten Sau.

Die beschriebenen Erlebnisse gehören nicht ins Reich der Fabel

Mondansitz

Sie haben sich alle so zugetragen, wie sie beschrieben sind. Was bleibt ist die Erkenntnis, das einerseits die Jagd ein rauhes Geschäft ist, andererseits derartig wendungsreich, dass bei allem Bemühen zu sauberer, tierschutzgerechter Jagd immer ein Restrisiko bleibt. Jagd bedeutet das permanente Arbeiten mit Unbekannten und sich ständig wechselnden Parametern: Der Jäger mit allen seinen Eigenschaften und die zu jagende Beute mit allen ihren Eigenschaften – beide unterliegen ständigen Änderungen, Stimmungen. Nichts ist gleich: die Tagesform des Jägers, das Wild ändert die Richtung, die Schussentfernung schwankt, das Wetter ändert sich usw. Die Liste der sich wechselnden Größen wäre endlos. Dass dabei auch einmal etwas schief gehen kann, liegt in der Natur der Sache.

Denn hinter der Waffe sitzt immer noch der Kapitän, der reagieren muss, selten steuert. Er ist bei Missgeschicken nicht zwangsläufig „schuld“, sondern in erster Linie auch nur ein Mensch, der ein Scheitern auf der Jagd bestimmt nicht will! Nicht der Fehler ist dann das Problem, sondern wie wir damit umgehen. Warum ist es so schwer, einzugestehen, dass – wie überall anders auch – Fehler gemacht werden? In jedem Fall Missgeschicke offen zuzugeben, ist ein lohnender Sprung über den eigenen Schatten, denn lernen können wir alle davon! Schon jetzt ist klar: Ihnen könnte das natürlich nie passieren – bis es passiert…

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