Wölfe – Isegrim ist zurück in Deutschland
Seit nunmehr fast zwanzig Jahren wird auch in deutschen Landen Meister Isegrim wieder heimisch. Die vor allem aus Polen zugewanderten Einzeltiere und Rudel wurden zunächst in den eher dünn besiedelten Gebieten der Lausitz und im östlichen Brandenburg gesichtet. In den letzten Jahren gab es dazu immer wieder vereinzelte Sichtungen im Westerwald oder der Lüneburger Heide. Selbst in den Niederlanden und im französischen Zentralmassiv wurde das Auftauchen von Wölfen gemeldet. Ein Zeichen, dass die früher zahlreichen ‘grauen Räuber’ nach ihrer systematischen Bejagung wieder zurück sind in Europa.
Tragische Vorfälle zwischen Wolf und Mensch
Tragisch daran ist, dass die Sichtungen oft einher mit dem Tod der Tiere gingen. So wurde der niederländische Wolf, der nur durch deutsches Gebiet eingewandert sein konnte, von einem Auto erfasst. Der Wolf im Westerwald dagegen wurde irrtümlich für einen verwilderten Hund gehalten und von einem Jäger erschossen. Der Schütze stellte sich der Polizei und bat um Entschuldigung für seinen Fehler. Das Problem: der Wolf steht nach seiner nahezu vollständigen Ausrottung in Deutschland seit 1990 hierzulande unter strengem Schutz. Einen Wolf zu töten kann mit hohen Geld- und sogar Freiheitsstrafen belegt werden.
Tragisch ist außerdem, dass mittlerweile Verkehrsunfälle und das Verschwinden von Haushunden zum Anlass genommen werden, den Wolf zum Schuldigen zu ernennen. So hat eine von einer Koppel ausgerissene Gruppe von Pferden im Winter 2013 auf der B6 in Sachsen einen schweren Unfall verursacht. Ein selbsternannter ‘Jagd-Experte’ gab sich überzeugt, dass die Pferde von Wölfen in Panik versetzt wurden und von der Koppel geflüchtet waren. Auch nie zuvor gesichtete ‘Großrotten’ von Wildschweinen sollen ein Indiz für die Zunahme des grauen Raubtieres sein. Die Wildschweine würden sich zum Schutz zusammenschließen und dann riesige Flurschäden anrichten.
Naturschützer vs. Jäger
Naturschützer sehen das anders und freuen sich, dass das jedem Kind aus Märchenerzählungen vertraute Tier wieder heimisch wird. Von Jägern werden die Wolfsfreunde denn häufig auch als Spinner abgetan, die nicht einsehen wollen, dass Canis lupus massenhaft Nutztiere und Rehwild reißt. Sie würden den gefährlichen Räuber zu einer Art ‘Panda Europas’ verklären, den es auch um den Preis von Menschenleben zu schützen gelte. Die Naturschützer dagegen halten die Argumente der Jäger oft für überzogen. So würden diese nur um ihre Abschussraten bangen, die sie nicht durch die tierische Konkurrenz reduziert sehen wollten. Und außerdem könne man Herdentiere durch ausreichende Schutzmaßnahmen wie Zäune und Hunde vor der Gefahr bewahren, so die Argumente der Tierschützer. Um den hohen Strafen zu entgehen, so der Vorwurf der Naturliebhaber, gelte deshalb für Jäger im Umgang mit dem Wolf häufig die Devise: “Schießen, schaufeln, schweigen.”
Die Meinung über Wölfe – die Fronten sind verhärtet
Die Fronten der Diskussionen über Wölfe sind oftmals meinungsüberladen und verhärtet. Das kühle Abwägen von Fakten spielt wie bei allen emotionsbeladenen Themen häufig eine geringe Rolle. Jede Seite sieht sich im Recht, weiß die besseren Argumente auf ihrer Seite und spart nicht mit polemischen Vorwürfen gegen die jeweils andere Gruppe.
Tatsache ist jedoch, Wölfe haben in der Vergangenheit Schafe und anderes Getier gerissen. Tatsache ist auch, einige Wölfe wurden trotz des Jagdverbots illegal erlegt oder absichtlich überfahren. Erst vor wenigen Tagen wurde südöstlich von Berlin ein mit einem Blattschuss erlegter und geköpfter Wolfskadaver gefunden. Möglichweise wurde der fachmännisch abgetrennte Kopf als Trophäe mitgenommen. Durch solche Taten wird natürlich die gesamte Jägerschaft in Verruf gebracht.
Tatsache ist außerdem, bisher (!) wurde noch kein Mensch von einem Wolf angefallen, auch wenn sie sich selbst Großstädten wie Berlin nähern. Weiterhin muss als Tatsache gelten, dass die Mitglieder der Jägerzunft häufig die besseren Wildbeobachter sind. Allein durch ihre ständige Präsenz im Revier sind sie den zahlenmäßig geringeren und nicht dauerhaft und überallorts zugleich tätigen Naturschützern in ihren Beobachtungsmöglichkeiten überlegen.
Wolfsjagd eher unwahrscheinlich
Bisher wurden die Halter von gerissenen Nutztieren häufig entschädigt, auch wenn es darauf noch keinen Rechtsanspruch gibt. Zumeist wurde die Entschädigung aus Kulanzgründen gewährt, schon allein, um dem Streit zwischen Wolfsgegnern und -befürwortern nicht noch neue Nahrung zu geben. Darüberhinaus ist die wachsende Zahl der Wolfspaare und -rudel bisher noch immer überschaubar. Im ganzen Bundesgebiet sollen sich derzeit 26 kleinere und größere Rudel von bis zu 9 Tieren aufhalten, deren Gesamtpopulation also kaum mehr als 175-200 Tiere umfassen dürfte. Die EU legt für geschützte Arten eine Mindestpopulationsgröße von 1000 Tieren für “einen guten Erhaltungszustand” an. Eine Zahl, die also selbst für Gegenden mit Schwerpunktvorkommen wie Brandenburg und Sachsen bei weitem noch nicht erreicht ist und daher eine Freigabe der Jagd in nächster Zeit unwahrscheinlich erscheinen lässt. Die Entwicklung der Wolfspopulation und die Auswirkungen, die diese Entwicklungen auf die Wildbestände haben wird, müssen daher in den nächsten Jahren wissenschaftlich fundiert untersucht werden.
Das Problem scheint auch hier zu sein, dass populistische Argumente häufig mehr zählen als fundiertes Wissen. Auch Nichtjäger, Nichtlandwirte und nicht unmittelbar in “Wolfsgegenden” lebende Menschen haben ihre Meinung zum Thema und lassen sich häufig durch Ängste leiten. Denn meistens fressen Wölfe lieber Wild- als Haustiere und halten sich vom Menschen fern. Die Frage wird natürlich sein, wie sich die Diskussion zuspitzt, sollte tatsächlich einmal ein Spaziergänger im Wald zum Opfer des ‘grauen Räubers’ werden.
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