Das Jagdrevier im Mai – Erlebnisse bei der Bockjagd
Mit Grausen erinnern wir uns noch an den März und den April. Wie oft haben wir in dieser Zeit von der Bockjagd gesprochen – und sehnsüchtig gewartet. Jetzt, im Mai, hat sie endlich begonnen! Natürlich dreht sich jetzt alles um Böcke!
Insbesondere die Jungjäger unter uns, die das erste Mal auf Rehwild jagen dürfen, fieberten dem Monatsbeginn entgegen. Aber wie die beiden Rehe soeben zeigten, scheinen sich einige „Herren“ noch nicht ganz sicher zu sein, wo denn das eigene Revier anfängt und der andere weichen muss. Normalerweise haben jetzt schon – außer den jungen Jährlingsböcken – die Rehböcke ihre Sommereinstände bezogen.
Die Bockjagd beginnt
Es ist stockfinster, als es an der Haustür klopft. Unsere Hunde quittieren das Klopfen des unerwarteten Gastes, der zu nachtschlafender Zeit stört, mit wütendem Gebell. Ungläubig schaue ich auf den Wecker. Waren meine Jagdfreunde und ich nicht erst in über einer Stunde verabredet? Auf dem Weg zu Tür überlege ich, wer der Störenfried sein könnte.
Vor mir steht Jagdfreund Karl, 20 Jahre alt und mit „passioniert“ noch unzureichend umschrieben. Er entschuldigt sein „etwas zu frühes Erscheinen“ und erklärt, das er „keinesfalls zu spät zum Morgenansitz kommen wollte“ und daher „etwas früher aufgestanden ist“. Bei der Gelegenheit führt er auch noch ins Feld, dass er „den Verkehr nicht einschätzen konnte“.
Klar, denke ich, morgens vor vier Uhr ist hier auf den Straßen auch wirklich enorm was los. Insbesondere am Sonntagmorgen muss man ja auch mit Unmengen Fahrzeugen und LKW-Schlangen bei uns mitten im Wald rechnen. Schließlich müssen wir beide über seine zeitlichen Sicherheitsreserven lachen und er bekommt die Aufgabe, erst einmal für ordentlich pechschwarzen Kaffee zu sorgen, während ich unter die Dusche springe.
Von dort zurück, steht dampfender Kaffee auf dem Küchentisch und die Revierkarte liegt ausgebreitet daneben. Wir beraten bereits geraume Zeit, wo wir am ersten Tag der Bockjagd hingehen können, als es wieder an der Tür klopft. Hans und Anton erscheinen, unser Team für den ersten Rehwildjagdtag dieser Saison ist komplett.
Wir verteilen die Sitze und verabreden uns für 9.00 Uhr wieder am Forsthaus. Erwartungsfroh geht und fährt jeder seiner Wege.
Auf zu den Rehwildecken!
Jeder von uns vieren strebt unseren wenigen Rehwildecken zu, um gesehene Böcke zu bestätigen, gegebenenfalls zu erlegen oder überhaupt erst einmal einen Bock „auszugraben“. Ich zähle zu den Ausgräbern, in dem Jagdbogen, den ich gerade anlaufe, konnten wir noch gar keinen Rehbock bestätigen. Klar, das Rehwild hat seine Sommereinstände bezogen, die stärkeren, alten Böcke haben sich auch unser Revier untereinander aufgeteilt.
Vielleicht gelingt es uns ja, die derzeit bedauernswerten Jährlinge vor die Büchse zu bekommen. Nirgendwo werden starke Jährlinge geduldet und auch die schwachen, die noch das ein oder andere Mal auf etwas mehr Toleranz der Hausherren hoffen dürfen, bleiben jetzt vor der imaginären Tür der guten Einstände.
Ich habe schon lange mein Auto stehen lassen. Ich möchte zunächst ein kleines, ca. drei Hektar großes Gatter kontrollieren und pirsche daher – viel länger als wir es uns sonst in diesem Revier zugestehen – die Waldwege lang. Kurz vor dem Gatter höre ich metallische Geräusche. Was kann das sein? Langsam gehe ich vorwärts und schaue von einem kleinen Hügel gen Gatterzaun. Dahinter steht ein gut veranlagter Bock und schlägt wieder und wieder auf den Zaun ein. Das ist ja ein außergewöhnlicher Start ins Jagdjahr: Nach zwanzig Minuten Jagdzeit schon Bockanblick, aber ausgerechnet ein Gefangener! Hoch hat er auf und alt scheint er auch noch nicht zu sein. Was tun? Einen Gatterbock erlegen, wo vielleicht die Chance besteht, ihn rausgedrückt zu bekommen. An der Hinrichtung habe ich keine Freude. Also – neuer Plan vonnöten!
Ich schleiche zurück, umschlage das Gatter und öffne auf der Gegenseite das Gattertor. Dann geht es zurück zum Ausgangspunkt. Laut pfeifend und redend gehe ich dem Gefangenen entgegen. Schreckend flüchtet der Bock zur Gegenseite. Wieder klingt es metallisch. Ich klettere über den Zaun und quere die Gatterfläche. Erneut flieht der Bock den Zaun an. Schließlich entdeckt er das offene Tor und flüchtet – nun lauthals schreckend – in den Wald. Wenn er den Weg fortsetzt, müsste er eigentlich Hans kommen, denke ich, doch schlussendlich erscheint mir die Distanz dann doch zu weit.
Ich erreiche meine Leiter und baume auf. Zeit genug habe ich immer noch. So sinniere ich über unser Waldrehwild. Dank Rot-, Dam- und Schwarzwild zählt Rehwild zu den seltenen Anblicken. Dennoch versuchten auch wir, zunächst im Wildbret und in der Gehörnentwicklung schwache Jährlingsböcke (Knopfböcke) zuerst zu erlegen.
Mittlerweile haben wir es aufgeben. Die Maxime lautet heutet: Wenn es nicht der unerwartete Jährlingssechser ist, kann alles geschossen werden. Warum?
Lieber ein Falsch geschossener Rehbock, als eine versehentliche Ricke
Auch die Jagd auf Schmalrehe betreiben wir nun – wenn auch ungleich vorsichtiger. Mir ist ein falsch geschossener Rehbock „lieber“, als eine versehentliche Ricke. Natürlich, zu keiner Zeit ist das Schmalreh leichter von einer Ricke zu unterscheiden als im Mai. So weit die Theorie. Das dabei in der Literatur aufgeführte Unterscheidungsmerkmal Gesäuge halte ich ohnehin nicht für verlässlich. Was ansprechen, wenn die Ricke gerade abgesogen ist?
twas verlässlicher ist da manchmal die Färbung der roten Schmalrehe und der noch grauen und ruppigen Ricken. Aber auch dort gibt es Ausnahen von der Regel. Insbesondere im Zwielicht des Waldes mit seinem Wechselspiel von Licht und Schatten ist das plötzlich erscheinende und über die Schneise ziehende weibliche Stück nicht immer unzweifelhaft anzusprechen. Wenn doch, bitte schießen!
1 Kommentare
Fellfarbe bzw. -wechsel ist bei uns z.Zt. kein Alters-Kriterium, alle Rehe sind durch den langen Winter gerade erst im Fellwechsel und sehen erbärmlich aus. Auch das Wildbretgewicht (Knopfer, nur 9 kg mit kahlen Stellen durch Räude!!) läßt deutlich zu wünschen übrig und so manches Stück muß sich erst noch von den Strapazen der Kälte und des Futtermangels erholen.